Die Energie zum Tanzen ist unerschöpflich

Aktuell aus der Forschung: Tanz und Parkinson – Verbesserung der Lebensqualität ohne Medikamente.

Artikel aus der Zeitung der Parkinson Selbsthilfe Wien Ausgabe 7, Sept. 2015 von Ursula Löwe


Tanz- und Bewegungstherapie hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem fundierten und anerkannten Therapieverfahren in der Neurologie und der Neurorehabilitation entwickelt. Die Wirksamkeit von Tanztherapie wird zunehmend durch wissenschaftliche Forschungen untermauert. 2 aktuelle Forschungsstudien befassen sich mit der Auswirkung von Tanz und Tanztherapie auf Parkinsonpatienten. Ein Review von Hackney und Bennett (201 4) stellen die Ergebnisse zur gesundheitsbezogenen Verbesserung der Lebensqualität bei Menschen mit Parkinsonkrankheit durch Tanz- und musikbasierte Bewegungstherapie vor.

„ Fünf Studien erfüllen die Einschlusskriterien für kontrollierte Studien, RCT, Pilotstudie oder Fallbericht. Die Erkenntnisse legen nahe, dass Tanztherapie und Tanz die gesundheitsbezogene Lebensqualität und das Gesundheitsverhalten von Menschen mit Parkinson – Krankheit positive beeinflussen könne. Tanz regt dazu an die Kontrolle über den eigenen Körper wiederzuerlangen und auszuüben, sowie umfangreiche soziale Interaktion einzugehen, die nachweislich die Lebensqualität verbessern.“ (Bräuninger 2014) .

Die Bewegung zur Musik macht nicht nur Spaß, sondern kann bei manchen Parkinson Symptomen besonders wirksam sein. Mit Rhythmus und Musik wird gegen Haltungsinstabilität, Steifheit und Gleichgewichtsstörungen angetanzt.

Die fließenden Bewegungen in Verbindung mit der Musik können gegen Blockaden und bei den sogenannten „Freezing-Episoden“ helfen. Es ist ein bekanntes Phabnomen, daß gerade bei Parkinson PatientInnen die Musikbegleitung Bewegungen fließender und leichter werden lassen. Tremor und Rigor können sich harmonisieren und ein angenehmer Bewegungsfluss sowie Wohlspannung treten ein. Die Musik lobst positive Emotionen wie Freude und Zuversicht aus (Bräuninger 2006).


Die klassische Medizin entdeckt die Tanztherapie

So unterstützt der Mediziner Peter Vieregge, Chef der neurologischen Klinik im deutschen Lemgo das therapeutische Tanzen: „Tanzen bedient alle Sinne. Es fördert die Motorik und Bewegung. Es bedeutet gleichzeitig, sich zu zeigen – und sich zu trauen“, sagt Vieregge in der Neuen Westfälischen Zeitung. In der Klinik Lemgo werden spezielle Kurse für Parkinsonpatienten angeboten.

Hier können Paare, bei denen ein Partner an Parkinson erkrankt ist, endlich auch etwas gemeinsam gegen die Erkrankung tun – mit Tanz und Bewegung! In den Kursen lernen die Teilnehmer keine speziellen Tänze, vielmehr geht es um einfache Bewegungen, die sich auch im Alltag wiederfinden – und natürlich um den Spaß an der ganzen Sache. Inzwischen werden einige Tanzkurse sogar als Reha-Sport von deutschen Krankenkassen bezuschusst.

Tanz- und Bewegungstherapie stärkt die Parkinson Betroffenen, mit ihren motorischen Veränderungen aktiv zu kooperieren, dies fördert die Aktivität und kann die Selbstwirksamkeit steigern. Wirksam dabei ist im Besonderen die erhöhte Wahrnehmung für den Körper und die Emotionen. Außerdem wird Wohlbefinden schneller erkannt und kann vermehrt aktiv eingeleitet werden (Bräuninger 2006).

Warum Tanzen für den Menschen essentiell ist

Der Kognitionsforscher Gunter Kreuz von der Universität Oldenburg erklärt, warum tanzen so bedeutend für die Menschen ist: „Tanzen ist viel älter als es schriftliche Aufzeichnungen über menschliche Kulturen gibt. Es ist ein Nebenprodukt des aufrechten Gangs früher Hominiden und steckt in unseren Genen. Wahrscheinlich ist es in der Evolution so erfolgreich gewesen, weil es geholfen hat, die kognitiven Funktionen zu verbessern. Vielleicht hat sich die Menschheit nur durch den Tanz so weit entwickelt.“ (G. Kreuz – Spiegel Interview 06.02.2013)

Kreuz führt weiter aus, wie in einer großen epidemiologischen Studie gezeigt werden konnte, dass Tanzen (hier Paartanzen) das Demenzrisiko reduziert – und zwar um 76%; und damit weitaus besser als Kreuzworträtseln 47% und Lesen 35% wirke: „ Anscheinend ist das Tanzen eine so komplexe Angelegenheit , dass Motorik, Aufmerksamkeit, Langzeitgedächtnis und Kurzzeitgedächtnis beansprucht werden.

Es wird weit unterschätzt, wie viel Hirnkapazität das gemeinsame Tanzen in Anspruch nimmt. Bei Parkinson Patienten konnte nachgewiesen werden, dass durch angeleitetes Tanzen eine sehr starke Verbesserung der Mobilität zu erreicht wurde.“ Der Wissenschaftler sieht darin einen äußerst eindrucksvollen Hinweis auf quasi pharmakologische Wirkung von Tanz und Musik (Kreuz 201 3).

Die Musik spricht die Zentren im Gehirn an, die direkt und ohne mentale Kontrolle auf das motorische System Einfluss haben. Mit Hilfe von Musik und Tanz können wir lernen mit mentaler Kontrolle und emotionalem Druck besser umzugehen, damit die Bewegung zum Fließen kommt, Freude und Genuss empfunden werden können – genau dies ist der Ansatz der Tanztherapie (Bräuninger 2006).

„Man geht davon aus, dass der Puls in der Musik die Menschen antreibt, auch wenn die Motorik sonst durch Erkrankungen eingeschränkt ist. Medikamente und Operationen mögen die physische Ursache eines Problems bekämpfen – sie reichen allein bei weitem nicht aus, um Menschen Wohlbefinden und Lebensqualität zu verschaffen.“ (Kreuz 201 3)

Wie wirkt Tanztherapie?

Vor allem über die Psyche. In der Tanz und Bewegungstherapie werden die Bewegungen nicht mit dem Willen, sondern durch das Erleben initiiert: Musik, innere Bilder und Emotionen sind Auslöser und Bewegungsunterstützer.

Dem Erleben wird dabei große Aufmerksamkeit entgegengebracht. Das Bewusstsein für den Körper als Basis für alle weiteren Bewegungsfertigkeiten wird unterstützt. Angestrebt wird die Leichtigkeit der Bewegungsinitiierung, den Bewegungsfluss um das Tempo zu halten und den Tonus zu regulieren, die Spontanbewegung motorischer oder emotionaler Art.

Mit der Tanztherapie kann man erreichen, dass sich die Menschen etwas von ihrem durch die Krankheit beeinträchtigtem Befinden distanzieren. Es ist sehr positiv für das Selbstbild, wenn ich als Patient merke: Ich kann mich bewegen, besser als ich dachte. Mein Körper macht mir Freude und ich erlebe Verbundenheit mit anderen.

Tanzen kann Stress vermindern, Selbstwirksamkeit fördern, Lebensqualität erhöhen. Es geht um den Genuss, Zuversicht, Stabilität und Sicherheit. „Wenn ich tanze, vergesse ich, dass ich Parkinson habe“ meint eine Teilnehmerin der Parkinsontanzgruppe „Bewegung, Tanz und Rhythmus mit Musik“, die nun schon seit 1 1 /2 Jahren jeden Donnerstag 1 0:30 stattfindet. Warum nicht mal das Tanzbein schwingen? Angebote in Wien finden Sie in den Parkinsonnews.

Literatur/Quellen

Bräuninger, I. (201 4): Aktuell aus der Tanz-, Bewegungs- und Körperpsychotherapie-Forschung: Medizinische Anwendungsfelder und Perspektivenwechsel auf den Körper – Tanz und Tanztherapie bei Parkinsonerkrankungen aus: Körper, Tanz, Bewegung – Zeitschrift für Körperpsychotherapie und Kreativtherapie 4/1 4:1 81

Bräunigner, I. (2006): Tanztherapie Verbesserung der Lebensqualitabt und Stressbewabltigung, Bd 21 Beltz nach Brigitte Züger www.zoe-tanz.ch/parkinsonerkrankung

Earhart G.M.(2009): Dance as Therapy for Individuals with Parkinson Disease. Eur J Phys Rehabil Med. 2009 June ; 45(2): 231–238.

Hackney, M.E. Bennett, C.G (201 4). Dance Therapy for individuals with Parkinson disease: Improving quality of life: Journal of Parkinsonism and Restless Legs Syndrome 4 , 1 7 -25 Hackney M.E.,

Earhart G.M. (2011 ): Effects ofDance on Movement Control in Parkinson’s Disease: A Comparison ofArgentine Tango and American Ballroom, American Journal of Dance Therapy June 2011 Spiegel Online 06.Februar 201 3 “Die Energie zum Tanzen ist unerschöpflich“ Interview mit dem Musikkognitionsforscher Gunther Kreuz.“ http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/wie-tanzen-als-medizin-wirkt-und-gluecklich-macht-a-881 579.html

Westbrook B.K., McKibben H. (1 989): Dance/Movement Therapy with Groups of Outpatients with Parkinson’s Disease American Journal of Dance Therapy, Vol. 11 , No. 1 , Spring/Summer 1989

Link: www.parkinson-tanzen.at , http://danceforparkinsons.org/ , http://www.leben-mit-parkinson.de/parkinson/aktuelles/tanzkurse-fuermenschen-mit-parkinson

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