Wirksamkeit von Tanztherapie bei Parkinson
Es werden die Ergebnisse aktueller Forschungen zur Wirksamkeit von verschiedenen Ansätzen der Tanztherapie bei Parkinson vorgestellt.
Ein Review von Hackney und Bennett (2014) stellt die Forschungen zur gesundheitsbezogenen Verbesserung der Lebensqualität bei Menschen mit Parkinson durch Tanz- und musikbasierte Bewegungstherapie vor. Die Ergebnisse der fünf Studien, die die Einschlusskriterien für kontrollierte Studien, RCT, Pilotstudie oder Fallbericht erfüllen, können wie folgt zusammengefasst werden: „Die Erkenntnisse legen nahe, dass Tanztherapie und Tanz die gesundheitsbezogene Lebensqualität und das Gesundheitsverhalten von Menschen mit Parkinson-Krankheit positiv beeinflussen können. Tanz regt dazu an (1) die Kontrolle über den eigenen Körper wiederzuerlangen und auszuüben und (2) umfangreiche soziale Interaktionen einzugehen, die nachweislich die Lebensqualität verbessern. Eine Interventionsstudie von Lewis und Kolleginnen (2014) wertet den Effekt von der Tanzintervention (hier Gesellschaftstanz) auf die Stimmung aus. Die generelle Stimmungsbeeinträchtigung und die Unterskala Ärger verbesserten sich signifikant am Ende einer 12-wöchigen Intervention.“ (Bräuninger 2014: 181).
Tanz- und Bewegungstherapie unterstützt die PatientInnen, mit ihren motorischen Veränderungen aktiv zu kooperieren, was die Aktivität fördert und die Selbstwirksamkeit steigern kann. Wirksam dabei ist im Besonderen die erhöhte Wahrnehmung für den Körper und die Emotionen. Außerdem wird Wohlbefinden schneller erkannt und kann vermehrt aktiv eingeleitet werden (vgl. Bräuninger 2006).
Westheimer et al. (2015) untersuchten den Einfluss von Ballett, Jazzdance und Stepptanz auf ParkinsonpatientInnen, wobei allerdings keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich der Steigerung der Lebensqualität festgestellt werden konnten. Die offen geführten Interviews zeigten zwar positive Rückmeldungen der PatientInnen, diese stimmten jedoch mit anderen Messgrößen nicht überein.
Kratz (2015: 36f.) resümiert aus aktuellen tanztherapeutischen Studien, dass alle PatientInnen eine Verbesserung der körperlichen Symptome, vor allem des Gleichgewichts und des Ganges, aber auch des Rigors feststellen konnten. Auch Parameter der Lebensqualität – Stimmung, Mobilität, zwischenmenschliche Kommunikation und Mimik – wurden durch die Tanztherapie verbessert. Im Vergleich mit der Physiotherapie erweist sich nach Kratz (2015: 38) eine Tendenz weg von konventioneller Physiotherapie hin zum Tanz. Dies erkläre sich damit, dass strikt vorgeschriebene Übungen wenig motivierend für die PatientInnen seien und keinen positiven Einfluss auf die Stimmung der Betroffenen zeigten, wodurch es schwer sei, die Physiotherapie in den Alltag der PatientInnen zu integrieren. Zudem erweise sich beim Tanz auch die sensorische Stimulation durch Musik als unterstützend, wodurch eine Brücke zwischen Emotionen und Bewegung gebaut werde. Musik entspanne, reduziere Ängste und beeinflusse Stresshormone sowie Herzfunktion und Atemmuster.
Die methodischen Ansätze der Tanztherapie für ParkinsonpatientInnen können unterteilt werden in solche, die den Fokus auf Improvisation legen und solche, die mit choreografischen Elementen aus dem Gesellschaftstanz, insbesondere dem Tango, arbeiten. Tango helfe beim Einüben von Bewegungen, welche bei der Problemlösung im Alltag nützlich seien. Die geschlossene Tanzhaltung gebe den Betroffenen mit Gleichgewichtsstörungen einen sensorischen Input und diene als Stütze. Tango selbst könne als Gleichgewichtsübung angesehen werden, da schnelle Richtungswechsel, Tandemstand, Zehenspitzengang und Gewichtsverlagerung gefordert werden (Hackney et al. 2007 zitiert nach Kratz 2015: 38). „Das Erlernen des Tangotanzens zeigte die TeilnehmerInnen, dass sie etwas erreichen konnten, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Ihre Einstellung zu Alltagsaktivitäten wurde geändert und das Selbstvertrauen gestärkt“ (ebd.).
Batson et al. (2016) stellt Forschungen bezüglich Tanztherapie mit Improvisation bei ParkinsonpatientInnen vor. Die Methode IMPROV zielt auf das Lehren von improvisiertem Tanz, unterstützt durch verbale Cues ‑ also Schlüssel, und basiert auf der Idee, dass im täglichen Leben Flexibilität gebraucht wird, d. h., dass es angepasste Antworten auf reale Anforderungen braucht. Die Parkinson-Krankheit und die damit einhergehenden Bewegungsstörungen behindern nicht nur die Mobilität, sondern auch die Spontanität des Bewegens, des Handelns, des Denkens überhaupt. Tanzimprovisation erfordert offene und direkte Interpretationen der verbalen Inputs und wirkt auf die Entwicklung von spontanen Bewegungsstrategien potentiell stimulierend. Improvisation wird eingeführt als Palette von Wahlmöglichkeiten, die keine endgültigen Lösungen darstellen, sondern Möglichkeitsräume eröffnen. Ziel des Ansatzes ist es, die Handlungsmächtigkeit (Agency) zu stärken und damit auch das Vertrauen, die Selbstakzeptanz und die Autononie. Die Bewertungen der TeilnehmerInnen lassen darauf schließen, dass sich sowohl die Mobilität sowie auch das Selbstvertrauen und der Energielevel insgesamt verbessert haben (Batson 2016: 8).
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(Text :Ursula Löwe Kap. 3.5 aus der Masterarbeit)